Prix LITRA 2017

An der 81. Mitgliederversammlung der LITRA wurde der Prix LITRA 2017 verleihen. Eine Masterarbeit und zwei Bachelorarbeiten von Absolventern der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wurden prämiert.

V.l.n.r: Kathrin Amacker, Leiterin Kommunikation und Mitglieder der Konzernleitung der SBB (Laudatorin), Preisträger Tobias Cerny und Martin Moser, Bundesrat Johann Schneider-Amann, Preisträger Gregor Schibig und Robert Schuler, LITRA-Präsident Martin Candinas.

Cost cap tariffs and their market potential for public transportation

Tobias Cerny untersucht in seiner Masterarbeit an der School of Management and Law der ZHAW das Marktpotential neuer Tarifmodelle für den öffentlichen Verkehr. Im Fokus steht ein nutzungsabhängiger Tarif mit einer Obergrenze oder Kostendeckel. Ein solches Tarifmodell kann helfen, die Sitzplatzauslastung zu glätten und die Erträge zu verbessern. In einem Laborexperiment müssen sich 1500 Probanden für ein Preismodell zur Benutzung des öV Schweiz entscheiden, eine Vollpreis-, Halbpreis-, Pauschalpreis- oder eine Kostendeckel-Fahrkarte. Die Ergebnisse des Experiments deuten auf ein hohes Markpotential für einen Kostendeckel-Tarif bei den Schweizer öV-Kunden hin. Möchten Kunden möglichst flexibel bleiben und hohe Fixkosten vermeiden? Das würde für ein Einzelticket sprechen. Oder möchten sie den Komfort und die verlässliche Kostenplanung, die ein GA bietet? Der Kostendeckel-Tarif verbindet gemäss der Studie die Vorteile des Einzelbillets mit jenem des GA und bietet damit gleichzeitig Flexibilität, Bequemlichkeit und Kostenkontrolle. Auch für die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs ist die hohe Zustimmung zu einem Kostendeckel-Tarif attraktiv, kann er doch je nach Ausgestaltung als Mittel für eine bessere Sitzplatz-Auslastung dienen. Die Arbeit von Tobias Cerny liefert einen wichtigen Beitrag zur Diskussion des Tarifsystems im Schweizer öV und trifft damit ein relevantes, aktuelles Thema.

Chancen von Social Media im operativen Betrieb und in der Kundeninformation bei der SBB

Robert Schuler und Benjamin Steiner evaluieren in ihrer Bachelorarbeit am Institut für Datenanalyse und Prozessdesign der School of Engineering an der ZHAW die Möglichkeiten von Social Media in der Kommunikation zwischen Kunden und der SBB. Bisher ist (noch) die Hotline von SBB RailService dafür der wichtigste Kanal, mit dem Nachteil, dass andere betroffene Passagiere zum Beispiel bei einem Störungsfall nicht mitinformiert werden. Hier sind die sozialen Medien im Vorteil. Die Autoren starten mit einer Textanalyse des Twitterkanals des SBB-Kundencenters -«@RailService» um herauszufinden, welche Informationen die SBB nach heutigem Stand aus Tweets und Antworten in Interaktion von Kunden und Kundencenter gewinnen kann. Das Fazit: Eine Automatisierung der Texterkennung kann helfen, Kundenanliegen besser zu erfassen und für die interne Auswertung zu nutzen. Die Autoren empfehlen zudem, den Social Media-Kanal direkt im Betrieb anzusiedeln und führen dazu einen Feldversuch in der Betriebszentrale Ost am Flughafen Zürich durch. Sie entwickeln ein Tool, das Tweets nach Relevanz filtert und die beteiligten Stellen, die Kundeninformation in der Betriebszentrale Ost und das Social Media-Team im Kundencenter, miteinander vernetzt. Das Ergebnis: Eine Zweiweg-Kommunikation via Twitter hilft, Kunden schnell zu informieren und Störungen rascher zu bearbeiten. Die Autoren greifen mit der aktiven Nutzung von Social Media im Kundendialog ein zukunftsträchtiges Thema auf und verknüpfen es praxisnah mit den betrieblichen Prozessen innerhalb der SBB. Die gute Akzeptanz des Feldversuchs bei der SBB spricht für die Qualität dieses Tools.

Analyse und Modellierung von Eisenbahnunfällen

Martin Moser und Gregor Schibig entwickeln in ihrer Bachelorarbeit am Institut für Angewandte Mathematik und Physik der School of Engineering der ZHAW ein Modell zur Folgenabschätzung von Eisenbahnunfällen weiter und prüfen es auf dessen Gültigkeit. Für die Zulassung von Schienenfahrzeugen und die Erteilung von Betriebsbewilligungen sind solche Risikoanalysen ein wichtiges Instrument. Mit ihnen kann das Ausmass von Schadensereignissen abgeschätzt und vermindert werden. Die Firma ENOTRAC, der Industriepartner der Arbeit, hat ein physikalisches Modell für die Abschätzung von Schäden bei Zusammenstössen entwickelt. Die Autoren validieren dieses Modell mit Unfalldaten bei Bahnübergängen in der Schweiz und in Europa. Dafür stellen sie die betrachteten Unfälle mit zwei Modellen nach und vergleichen das Schadensausmass in der Simulation mit dem realen Schadensausmass. Ausserdem prüfen die Autoren, ob das Modell nicht nur auf Kollisionen von Zügen mit Personen- und Lastwagen, sondern auch auf Kollisionen zwischen zwei Zügen angewendet werden kann. Im zweiten Teil der Arbeit wird – als retrospektiver Ansatz – eine Unfalluntersuchungsmethode anhand eines realen Unfalls getestet und mit den dazu bestehenden Untersuchungsberichten verglichen. Das erweiterte ENOTRAC-Modell eignet sich sehr gut, um das Schadenausmass bei Kollisionen zwischen einem Zug und einem Strassenfahrzeug abzuschätzen, und kann für Risikoanalysen eingesetzt werden. Martin Moser und Gregor Schibig entwickeln die Anwendungsmöglichkeit des Modells anschaulich weiter und verbessern so die Risikoanalyse von Eisenbahnunfällen.

Wir gratulieren den fünf diesjährigen Preisträgern herzlich! Wir planen auch dieses Jahr, eine der prämierten Arbeiten als Prix LITRA-Publikation in kompakter Form herauszugeben. Die Publikation ist für Dezember 2017 vorgesehen.